BY Anna Francke in Frieze | 09 JAN 15

Aktuelle Ausstellung: Bianca Brunner – BolteLang, Zürich

Was in der Ausstellung The Feeling Of Things von Bianca Brunner gezeigt wird, ist ebenso rasch ausgemacht wie die in loser Folge präsentierten Motive: zehn Fotografien aus drei Serien (alle 2014) – rhomboide Farbflächen (Harlequin), eine weisse Diagonale vor Bäumen (Stick) und sich im Dunkeln abzeichnendes Dickicht (Night). In ihrer Offensichtlichkeit wirken diese Arbeiten beinahe wie eine banale, rein formale Angelegenheit. Damit sind die Eindeutigkeiten aber auch schon abschliessend benannt. Denn fragt man nach der Entstehung dieser Fotografien, danach, was sie zeigen und eigentlich abbilden, wird das Terrain schnell vager. Evident ist in zunehmenden Maße nichts mehr.

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BY Anna Francke in Frieze | 09 JAN 15

Vom Interesse an Oberflächen und Allover-Strukturen geleitet, fotografiert Brunner mit einer analogen Grossbildkamera Situationen, die sich oft als konstruiert entlarven, eigentümliche Objekte wie ein Holzverschlag und Arrangements aus einfachen Materialien, etwa ein Gemisch aus Öl und Wasser, Karton oder Stoff. So geht die Serie Harlequin, deren fliessende Rhomben in Gelb und Rosa auf den ersten Blick wie Aquarelle wirken, auf Wandarrangements aus Leintüchern im Studio der Künstlerin zurück. Erst irritierende Details wie die unterschiedliche Opazität der Rauten, Flecken vom Einfärben des Stoffs, von der Flexibilität des Materials mitbestimmte Formen und kleine Falten, die eine räumliche Struktur andeuten, geben subtile Hinweise auf das aufwendige prozessuale Vorgehen der Künstlerin, in dem das Auslösen der Kamera nur einer von zahlreichen Arbeitsschritten ist: Die zuerst in Miniaturskizzen entworfenen Rhomben sind nach der Umsetzung in wandfüllenden temporären Kompositionen, die einzig im Bild überdauern, in den grossformatigen Handabzügen wieder verkleinert abgebildet. Die weisse Holzverkleidung der Atelierwand, auf der die Stoffe hingen, ist in den vertikalen Rillen zu erahnen und verortet die Szene in einem Raum. Obwohl sie einen Anhaltspunkt für die Grössenverhältnisse andeuten, bleiben die Dimensionen letztlich vage.

In der kleinformatigen Serie Stick durchkreuzt eine Linie akkurat Schwarzweißaufnahmen von dichtem Blattwerk. Das Weiss der abstrakten geometrischen Form hebt sie deutlich vom organischen Umfeld ab, als wäre sie nachträglich eingezeichnet worden. Dennoch endet der Fremdkörper in den Blättern und ist dadurch im Bildraum verortet, was ihn in einer irritierenden Schwebe zwischen Fläche und dreidimensionalem Objekt hält. Tatsächlich entstanden die Fotografien mithilfe einer weissen Stange, die eine überbelichtete Leerstelle hinterlässt. Als Perforation im Bild funktioniert das Bildelement wie ein blinder Fleck, der sich im menschlichen Auge dort befindet, wo der Sehnerv auf die Netzhaut trifft, und das Sehfeld mitunter einschränkt.

Wenn der Titel bei Stick direkt auf die Entstehung verweist, führt er in der Serie Night, die den Ausschnitt eines dunklen Wald zeigt, in eine entgegengesetzte Richtung. Denn die angeblichen „Nachtaufnahmen“ entstanden tagsüber, nach dem filmischen Prinzip der „Nuit Americaine“, das bei Tageslicht gedrehten Szenen mithilfe technischer Mittel den Eindruck von Dunkelheit verleiht. Erkennbar wird Brunners Trick erneut in einem Detail: vereinzelt aufscheinendes Gegenlicht, das die Sonne verrät. Auch hier irritiert der räumliche Eindruck: Alles drängt zur Bildoberfläche und wirkt seltsam flach. Nähe und Distanz, Flächigkeit und Raum, Illusion und Zeugnischarakter – die Referenz als ein Grundprinzip der Fotografie, als „es-ist-so-gewesen“, wie Roland Barthes es in Die helle Kammer. Bemerkungen zur Photographie (1980; dt. 1989) nennt –, all das fällt in Bianca Brunners Bildern zusammen.

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